Rechtsfolgen einer Jugendstraftat

Mit welchen Sanktionen muss ein jugendlicher Straftäter rechnen?

A. Erziehungsmaßregeln (§§9 -12 JGG)

I. Voraussetzungen:

1. Erziehungsbedürftigkeit
a. Persönlichkeit muss eine Erziehung mit Mitteln des Jugendstrafrechts erforderlich erscheinen lassen
-kann auch auf eng begrenztem Gebiet vorliegen
b. strafbare Handlung muss Symptom für den Erziehungsmangel sein
(+) wenn Erziehungsdefizite ursächlich für die Straftat geworden sind

2. Erziehungsfähigkeit
(+) wenn Jugendlicher durch Erziehungsmaßregeln erzieherisch beeinflussbar ist
(-) wenn Erziehungsziel von vornherein ausgeschlossen erscheint

3. Erzieherische Wirkung
- konkrete Erziehungsmaßnahme; spezialpräventive Erziehungswirkung
-repressiven Gesichtspunkte (Sühne/Tatvergeltung) bleiben außer Betracht

II. Arten von Erziehungsmaßregeln

1. Weisungen, § 10 Abs. 1 Satz 1 JGG
a. Definition.:
Ge- und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen Regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern
-Anwendungsbereich: bei nicht allzu schwerwiegenden Verfehlungen oberhalb des Bagatellbereich
b. 10 Abs. 1 Satz 3 JGG:
-Weisungen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen
-bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen
-eine Ausbildungs-oder Arbeitsstelle anzunehmen
-Arbeitsleistungen zu erbringen
-sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen
-an einem sozialen Trainingskurs teilnehmen
-Täter-Opfer-Ausgleich erreichen
-den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast-oder Vergnügungenstätten zu unterlassen
-an Verkehrsunterricht teilnehmen
-weitere klar und bestimmt gefasste Weisungen, deren Einhaltung überprüft werden kann
c. Beschränkungen:
aa. § 10 Absatz 1 Satz 2 II JGG: keine unzumutbaren Anforderungen für Jugendlichen
-in körperlicher und geistiger Hinsicht
bb. kein Verstoß gegen Grundrechte
cc. keine Umgehung gesetzlicher Verbote
d. Verlängerung der Laufzeit der Weisung zulässig, §11 Abs. 2 JGG
-Voraussetzung: aus erzieherischen Gründen geboten
e. Überwachung der Einhaltung: Jugendrichter, § 82 JGG
-bei schuldhafter Zuwiderhandlung: § 11 Absatz 3-Jugendarrest;Verfahren nach § 65 JGG)

2. Hilfe zur Erziehung, §12 JGG
a. nur für Jugendliche mit gravierenden Erziehungsproblemen (nicht für Heranwachsende, § 105 Absatz 1 JGG)
b. Arten
aa. Erziehungsbeistand, §12 Nr. 1 JGG i.V.m. §§27,30 SGB 8
Öffentliche Erziehungshilfe und Kontrolle, wobei der Jugendliche in seiner gewohnten sozialen und räumlichen Umgebung belassen wird
bb. Unterbringung in einer Einrichtung über Tag und Nacht, §12 Nr. 2 JGG i.V.m. §§27,34 SGB 8

B. Zuchtmittel (§§13 -16 JGG)
(„Erziehungsstrafe“)

I. Voraussetzungen:

1a. Erziehungsmaßregeln reichen nicht aus, §5 Abs. 2 JGG
Alternativ:
1b. § 13Abs 1 JGG:
Wenn zwar Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Täter aber eindringlich bewusst gemacht werden muss, dass er für das von ihm begangenen Unrecht einzustehen hat

2. Inhaltliche Anforderungen an Zuchtmittel:
a. Erziehungsgedanke
Zuchtmittel muss so ausgewählt werden, dass sie erzieherisch positiv wirken können
b. repressiver Wesensgehalt
sollen gerechten Schuldausgleich herbeiführen
-§ 13 II JGG: nicht die Rechtswirkung einer Strafe (Jugendlicher gilt nicht als vorbestraft)
c. nicht auf Dauer angelegt (" Denkzettelfunktion")
-nicht durch Erziehungsmängel ausgeschlossen (verwahrloster Jugendlicher)

II. Arten der Zuchtmittel

1. Verwarnung, § 12 Abs. 2 Nr. 1 JGG
a. förmliche Zurechtweisung, mit der
-die dem Jugendliche der Schuldvorwurf und die Folgen seiner Verfehlung klargemacht werden sollen
-unter Hinweis auf schwerwiegende Sanktionen im Wiederholungsfalle
b. wird im Urteil angeordnet
-kann erst nach Rechtskraft wirksam ausgesprochen werden

2. Auflage
(echte tatbezogene Sühneleistung)
Voraussetzungen:
Keine unzumutbare Anforderungen in persönlicher und körperlicher Hinsicht, § 15 Absatz 1 Satz 2 II JGG
a. Arten der Auflage:
aa. Schadenswiedergutmachung, § 15 Abs. 1 Nr. 1 JGG
-Ausgleich des bei einem konkreten Opfer entstandenen materiellen Schadens (Voraussetzung: zivilrechtliche Haftung)
-Berücksichtigung: wirtschaftliches Leistungsvermögen des Jugendlichen
bb. persönliche Entschuldigung, §15 Absatz 1 Nr. 2 JGG
In Praxis untergeordnete Bedeutung
cc. Arbeitsauflage, §15 Absatz 1 Nr. 3 JGG
-Anwendungsbereich: Verfehlungen Jugendlicher, bei denen eine Geldauflage angesichts des Einkommen nicht sinnvoll und Jugendarrest unangemessen ist
-große praktische Bedeutung
dd. Zahlung eines Geldbetrages an gemeinnützige Einrichtung, §15 Absatz 1 Nr. 4 JGG
Anwendungsbereich, §15 Absatz 2: bei leichten Verfehlungen,
-wenn anzunehmen ist, dass Jugendlicher die Auflage selbst bezahlt
-wenn durch Auflage Gewinn entzogen werden soll, den Jugendlicher durch Tat erlangt hat
b. werden im Urteil angeordnet
-können erst nach Rechtskraft wirksam ausgesprochen werden
-können nachträglich geändert werden, auch zur Verschlechterung für Jugendlichen, §§ 15 Abs. 3, Satz 1 i.V.m. 11 Abs. 2 II JGG
c. bei schuldhafter Zuwiderhandlung: §§ 15 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 11 Absatz 3- Jugendarrest;Verfahren nach § 65 JGG)

3. Jugendarrest
=Kurzfristige Freiheitsentziehung mit schuldausgleichenden und erzieherischen Charakter
a. Voraussetzung:
aa. Jugendlicher durch Maßnahme erzieherisch beeinflussbar ((-) bei verwahrlosten Jugendlichen)
- Denkzettelfunktion
bb. keine Wirksamkeit einer weniger einschneidenden Rechtsfolge (Weisung/Auflage)
b. Anwendungsbereich: Mittelschwere Straftat bis an Grenze zur Jugendstrafe
c. Arten des Jugendarrests:
aa. Freizeitarrest - für wöchentliche Freizeit und auf einer oder zwei Freizeiten bemessen, § 16 Absatz 2 JGG
bb. Kurzarrest, § 16 Abs. 3 JGG
-wenn zusammenhängender Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig
-wenn weder Ausbildung noch Arbeit beeinträchtigt werden
cc. Dauerarrest, §16 Absatz 4 JGG (mindestens eine Woche/höchstens vier Wochen)


C. Jugendstrafe, §§17 -26 a JGG
Einzige echte Kriminalstrafe des Jugendstrafrechts
I. Voraussetzungen:

1 a. 1. Alt.: Wegen schädlicher Neigungen
Definition: erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, welche die Gefahr begründen, dass die Gemeinschaftsordnung ohne längere Gesamterziehung durch weitere Straftaten erheblich gestört wird

Voraussetzungen:
a. erhebliche Anlage-oder Erziehungsmängel:
-umfassende Analyse des bisherigen Lebensweges/Lebenssituation/Verhaltens während und nach der Tat
-Beurteilungszeitpunkt: Tatzeit und noch im Urteilszeitpunkt vorliegend
-bei Ersttaten: nur ausnahmsweise Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen
b. Erforderlichkeit einer längeren Gesamterziehung in einer Jugendstrafanstalt/Bewährungshilfe
c. Gefahr von weiteren Straftaten
-negative Kriminalprognose
d. in der Tat hervorgetreten
-Symptomtat für schädlichen Neigung ((-) bei Konflikts-, Gelegenheits- und Nottaten)
e. Anwendungsbereich: nicht unerhebliche Straftaten

1b. 2. Alt.: wegen Schwere der Schuld
(Sühne und gerechter Schuldausgleich/ Kann Erziehungsgedanken widersprechen)
-generalpräventive Überlegungen unzulässig

Voraussetzungen:
a. Anknüpfungspunkt: Persönlichkeitsbegründete Beziehung des Jugendlichen/Heranwachsenden zur Straftat
(Motive und Beweggründe, Stärke des verbrecherischen Willens, mit Tat verfolgte Zwecke, mit Tat zum Ausdruck gekommenes Persönlichkeitsbild)
b. Erforderlichkeit der Jugendstrafe
(+) wenn Absehen von Jugendstrafe zu Gunsten anderer Maßnahmen im unerträglichen Widerspruch zum Gerechtigkeitsgefühl steht
-Anwendungsbereich: Kapitalverbrechen

2. Dauer der Jugendstrafe
-allgemeines Strafrecht gilt nicht, §18 Absatz 1 Satz 3 JGG
-§ 18 Abs. 1 Satz 1 JGG: Mindestmaß: sechs Monate/Höchstmaß: fünf Jahre
-§18 Absatz 1 Satz 2 JGG: bei Verbrechen mit Höchststrafe nach StGB von mehr als 10 Jahren: Jugendstrafe mit Höchstmaß 10 Jahren
-Länge nach Erforderlichkeit der erzieherischen Einwirkung, § 18 Abs. 2 JGG
-kein Übersteigen der erzieherischen Strafe gegenüber der schuldangemessenen Strafe

3. Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung, §§21 -26a JGG

a. Voraussetzungen
aa. zwischen sechs Monaten und einem Jahr:
wenn zu erwarten ist, dass Jugendliche auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs und unter dem erzieherischen Einfluss der Bewährungszeit künftig einen straffreien Lebenswandel führen wird, §21 Abs. 1 JGG
-positive Sozialprognose; ausreichend: nicht ganz unbegründete Erwartung rechtschaffenen Lebenswandels
-keine Verteidigung der Rechtsordnung (§56 Absatz 3 StGB)
bb. zwischen einem und zwei Jahren:
wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung es Jugendlichen geboten ist, §21 Abs. 2 JGG
-positive Sozialprognose
-keine erheblichen und Behandlungsbedürftigen Erziehungsdefizite
b. Bewährungszeit, §22 JGG:
Mindestens 2, höchstens 3 Jahre
-sinnvoll: zusätzliche Weisungen und Auflagen, §23 JGG / nachträgliche Änderung oder Aufhebung möglich, §23 Absatz 1 Satz 3 JGG / unzulässig: Kopplung von Dauerarrest mit Jugendstrafe zur Bewährung
-§ 24 JGG: Bewährungshelfer zur Überwachung
c. Widerruf der Bewährung § 26 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1-3 II JGG
aa. Verstöße
-Nr. 1:
Jugendlicher begeht Straftaten und zeigt dadurch, dass er die Erwartungen nicht erfüllt hat
-Nr. 2:
aaa1. Gröblicher oder beharrlicher Verstoß gegen Weisungen
oder
aaa2.Beharrliche Entziehung der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers
bbb.Dadurch Anlass zur Besorgnis, dass er erneut Straftaten begehen wird
-Nr. 3:
gründlicher und beharrlicher Verstoß gegen Auflagen
bb. keine höheren Mitteln nach §26 Abs. 2 JGG
cc. keine Möglichkeit des Ungehorsamarrests (§23 Absatz 1 Satz 4 i.V.m. 11 Abs. 3 Satz 1/2 JGG)
dd. zuständig: §58 Absatz 1/3 JGG: Jugendrichter, der Bewährung angeordnet hat
-Übertragung an die Jugendrichter, in dessen Bezirk sich Jugendliche aufhält
ee. Gelegenheit zur Stellungnahme, § 58 Absatz 1 Satz 3 JGG
ff. Rechtsmittel gegen Widerruf: sofortige Beschwerde §59 Abs. 3 JGG i.V.m. §§311 Absatz 2,306 StPO
-Frist: eine Woche
-zuständig für Entscheidung: Jugendkammer beim Landgericht
d. Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe, §§27 -30 JGG
-Unterschied zu §26 JGG: Entscheidung, ob überhaupt Jugendstrafe verhängt wird, wird zur Bewährung ausgesetzt
aa.Voraussetzungen:
aaa. Ermittlungsmöglichkeiten bezüglich schädlicher Neigungen erschöpft
bbb. Vorliegen von schädlichen Neigungen
ccc. Zweifel, ob schädliche Neigungen von Gewicht vorliegen
-Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel ausreichend?
bb. Verfahrensweise - § 28 Abs. 1 JGG:
-Urteil mit Schuldfeststellung
-Entscheidung über Jugendstrafe wird für ein bis zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt
e. Vorbewährung:
(Unterschied zu §27 JGG: Voraussetzungen des § 17 JGG stehen fest, außer prognostische Unsicherheit, ob Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.)
-Verurteilung zu Jugendstrafe
-die Entscheidung über die Aussetzung wird im Urteil ausdrücklich offen gelassen
-Bestimmung einer vor Bewährungszeit (maximal sechs Monate)
-sinnvoll Weisungen/Auflagen, §§10, 15. analog JGG
-erfolgreicher Fristablauf: Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung durch Beschluss, §57 Absatz 1 JGG
-erfolgloser Fristablauf: Feststellung des Gerichts, dass die im unter ausgesprochene Jugendstrafe zu vollstrecken ist

4. Nebenfolgen und Maßregeln der Besserung und Sicherung, §§6,7 JGG

a. alle Nebenstrafen und Nebenfolgen gemäß StGB zulässig; Ausnahme: in §6 JGG auf geführte Nebenfolgen
b. §7 (Maßregeln der Besserung und Sicherung):
-zulässig:
Unterbringung in psychiatrischen Krankenhaus/Erziehungsanstalt (§§63,64 StGB); Führungsaufsicht (§ 68 StGB); in Ziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB)
-unzulässig:
Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB); Berufsverbot (§ 70 StGB)
c. Grundsatz der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen (§5 Abs. 3 JGG):
Grundsätzlich keine kumulative Anordnung: Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus/Erziehungsanstalt und Jugendstrafe
5. Kombination von Rechtsfolgen, §8 JGG
a. Absatz 1:
zulässig: mehrere Erziehungsmaßregeln und mehrere Zuchtmittel nebeneinander
Unzulässig: Erziehungshilfen und Jugendarrest
b. Absatz 2:
Zulässig: neben Jugendstrafe nur Weisungen und Auflagen/Erziehungsbeistand
Unzulässig:
-Jugendstrafe und Arrest
-Rechtsprechung: unzulässig ist Koppelung der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe und Jugendarrest
- Hilfe zur Erziehung neben §27 JGG







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